BLOG: 10.08.2022

Die Telefonbox: erst fragen, dann telefonieren

Learnings aus New Work Konzepten

Schalldichte Telefonboxen und Shared Decks gelten in der Welt des Smart Work als kompakte Raumlösungen. Geeignet sind sie aber längst nicht für jede Institution. Eine Bestandsaufnahme im Vorfeld der Planung sorgt in jedem Büro für Klarheit.

Und plötzlich stand das grüne Ding da. Die schalldichte Telefonbox, im Newsroom der Berliner Zentrale eines Verbands. „Da geht niemand rein“, raunt mir ein Mitarbeiter zu. „Da kriegt man Depressionen drin.“ Ich frage: „Und wenn ihr ungestört telefonieren wollt?“ Er antwortet: „Hier stehen genug Büros leer.“

 

Arbeitsabläufe raumplanerisch umsetzen

Warum also dann die Telefonbox? Weil da jemand modern sein wollte. New Work und so. Jetzt ist das Ding da. Und hat eine Menge Geld gekostet. Ein fast schon klassischer Fehler. Es gab im Vorfeld der Anschaffung keine Planungen über eine sinnvolle Gestaltung des zur Verfügung stehenden Raums. Jemand wollte das haben, und fertig. Eine Bestandsaufnahme hätte das vermieden. Denn dazu gehören Gespräche mit den Mitarbeitern. Zuzuhören sollte die Basis der Planung sein, wenn ein Büro eingerichtet wird. Die Frage lautet: Wie setzen wir Arbeitsabläufe raumplanerisch um?

 

Am Ende wird teurer

Antworten darauf helfen, Probleme frühzeitig zu erkennen. Der Verband in Berlin war nicht die erste Institution, die auf eine Anforderungsanalyse verzichtet hat, um Geld zu sparen. Die Erfahrung lehrt, dass es dann am Ende teurer wird. Denn von einer Telefonbox, die nicht genutzt wird, hat auch die Chefetage nichts. Dabei kann so ein modernes Tool durchaus sinnvoll sein, aber halt nicht für jeden Anwender. Viele Start-Ups schätzen sie als kompakte Raumlösung. Überhaupt Unternehmen, für die zentral gelegene Immobilien wichtig sind und die Platz sparen müssen. Und manchmal funktioniert die Kabine richtig gut.

 

Der Lärm der Anderen

Wie das Beispiel einer Redaktion zeigt, ebenfalls in Berlin. Hier waren Telefonboxen im Großraumbüro hochwillkommen, als ein Ort, in dem endlich Ruhe herrscht, in dem Telefonate und kleine Meetings stattfinden können. Statistiken besagen, dass Lärm einer der häufigsten Gründe für Unzufriedenheit in Büros ist. Vor allem der Lärm von anderen Personen sorgt für Verdruss. Ruhe und Konzentration sind zweifellos wichtig, um produktiv arbeiten zu können. Durch Telefonboxen gelangt kein Gesprächslärm mehr ins Büro, eine Ablenkungsquelle wird reduziert, und der Stresslevel sinkt. Aber manche haben eben auch in der Kabine Stress. Manche finden es heimelig, andere klaustrophobisch.

 

Laut wie ein Rasenmäher

Moderne Telefonboxen haben heute eine exzellente Schalldämmung und ihre Befürworter haben damit durchaus Argumente. In einem Test wurde eine rasenmäherlaute Schallquelle mit der Lautstärke 90 Dezibel in einer Telefonbox installiert. Außerhalb blieben davon nur 34 Dezibel übrig - ein deutlicher Unterschied. Wer diesen Effekt erzielen will, darf natürlich kein Billigmodell aus Spanplatten kaufen. Sondern eins aus Hightech-Materialien. Am besten aus recycelbaren Rohstoffen, was besonders junge Mitarbeiter zu schätzen wissen. Der Tipp für jeden Unternehmer: am besten mieten Sie die Boxen erstmal für ein paar Monate und schauen, wie sie genutzt werden. Das kostet im Monat rund 300 Euro.

 

Das Ding müffelt

Der Test kann für Überraschungen sorgen. Vielleicht ist die besonders stylische Telefonbox im minimalistischen Design, in die sich der Chef („Ein echter Eyecatcher!“) so verliebt hat, nicht geeignet? Wäre es nicht gut, wenn die Kabine nicht nur schalldicht, sondern auch transportabel wäre? Ist die Montage unkompliziert und wie gut funktioniert die Lüftung? Nicht ganz unwichtig, denn wenn die Ventilation nicht funktioniert, müffelt es in der Box. Besonders im Sommer ein Problem. Die Antworten auf diese Fragen bringt letztlich der Büroalltag. Der Trend geht neuerdings zur größeren Kabine, der sogenannten Meetingbox. Hier finden kleine Teams Platz, und das Gefühl der Enge ist abgemildert. Videocalls sind hier bequem möglich.

 

Der geteilte Arbeitsplatz

An Telefonkabinen scheiden sich die Geister ebenso wie an Shared Desks. Längst ist das Konzept der Tech-Konzerne aus dem Silicon Valley auch in unseren Büros gelandet. DAX-Unternehmen wie die Lufthansa oder Siemens setzen darauf. Beim Desksharing, auch „Shared Desk“, „Flexible Office“ oder „Hot Desking“ genannt, „dürfen“ Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz im Büro täglich frei wählen. Unternehmen versprechen sich davon mehr Flexibilität und eine Kostenersparnis. Denn mit dieser Methode werden Arbeitsplätze optimal besetzt und Flächen ideal genutzt - manche Berliner fühlen sich an die Zeit von vor 100 Jahren erinnert. Denn damals konnte man Betten stundenweise mieten - Nacht- und Tagearbeiter der Industrie teilten sich eine Schlafstätte und sparten so Kosten.

 

Mein neuer Shared Desk, leider geil

Unternehmer schwärmen von der effizienten Nutzung der Arbeitsflächen und preisen Desksharing als Bürokonzept der Zukunft an. Je nach Abteilung sind zwischen 25-50% der Arbeitsplätze unbesetzt, weil Kollegen in Terminen, im Homeoffice oder im Urlaub sind, so die Argumente. Ältere Mitarbeiter, die sich gern einen Schlumpf oder eine Diddelmaus auf den Monitor gestellt haben, sind Old Economy. Weg mit den Büchern, weg mit dem Regal. Mein neuer Shared Desk, leider geil - so würde es in der Abwandlung eines Deichkind-Songs heißen.

 

Hier bin ich nicht zuhause

Auch hier bringt eine Mitarbeiterbefragung entscheidende Erkenntnisse. Vielleicht ist sie beim Desksharing sogar noch wichtiger, weil hier ein Test durch Anmietung schwieriger ist - dafür ist das Konzept zu umfassend und raumgreifend. Etliche Unternehmen haben bereits Erfahrungen mit Desk Sharing gemacht. Oft klagen Mitarbeiter, dass sie sich im Unternehmen nicht mehr zuhause fühlen. Denn der Arbeitsplatz ist ein kleines Stück Heimat im Büro - das sollte nicht unterschätzt werden.

 

Das ist mein Platz

Kritisch wird auch die tägliche Suche nach einem freien und geeigneten Arbeitsplatz gesehen. Sie wird als lästig empfunden. Das geht soweit, dass Mitarbeiter trotz Desk Sharing „ihren“ Platz beanspruchen - was häufig für Ärger sorgt. Mit der Suche ist es nicht getan, denn auch der Schreibtischstuhl muss auf die jeweilige Größe gestellt und die Bürotechnik neu verkabelt werden.

 

Pioniere und Siedler

Die Verhältnisse aufmischen - viele Chefs machen das gern, weil Mitarbeiter, die sich „festgesessen“ haben, nicht nach ihrem Gusto sind. Sie verbinden das mit einer generellen Einstellungen zur Arbeit: Pioniere sind oben eben beliebter als Siedler. Desk Sharing fördert zweifellos den Austausch unter den Kollegen, vielen gefällt das, aber den introvertierten Zeitgenossen weniger. Auch das sollte bei einer Planung berücksichtigt werden.

 

Willkommen auf der Tischinsel

Viele Mitarbeiter träumen nach wie vor vom klassischen Einzel- oder Zweierbüro. Gruppenbüros für drei bis 10 Mitarbeiter werden auch gern angenommen, alles darüber stößt auf Widerstand, ob Desksharing oder nicht. Wohl dem Unternehmen, dass seinen Mitarbeitern einen festen Arbeitsplatz und zusätzlich die Option zum Desksharing anbieten kann - das sorgt für Ruhe und Zufriedenheit an der idyllischen Tischinsel.