BLOG: 24.03.2021

Bürokonzepte fördern Kreativität

Büro Design

Wo sind Sie am Kreativsten? Im Büro? Tja, das antworten 0 von 100 Personen auf diese Frage. Stattdessen hören wir: „…beim Duschen“, „…beim Spazierengehen im Wald“, oder „…beim Workathon mit Gleichgesinnten“. Letzteres zeigt folgende Tendenz: Raus aus dem Büroalltag! Richtig gute Bürokonzepte fördern die Kreativität und werden zum Kreativitätsmotor.

Viele Studien zeigen, dass Kreativität mit einem Zustand der Entspannung zu tun hat. Künstler, Erfinder und Wissenschaftler berichteten, ihre besten Einfälle gehabt zu haben, als sie ihren Geist wandern ließen. Nikola Tesla ging 1881 mit seinem alten Studienkollegen Anton Szigeti spazieren. Da hatte Tesla eine wesentliche Einsicht über Magnetfelder, die später zum Durchbruch in der Elektro-Mechanik führte. Albert Einstein hörte Musik und fand erst dann Lösungen zu komplexen Themen.

Bürokonzepte fördern Kreativität – wie denn?

Statistisch gesehen passieren kreative Einfälle eher, wenn unser Verstand im Ruhemodus ist. Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass uns sogar kurze Nickerchen wieder klarer denken lassen. Einige Unternehmen richten daher Bereiche zur Erholung ein. Das sind sogenannte CoSleeping Angebote. Sicher ist: Schlaf hat eine tragende Rolle für optimale Produktivität und Wohlbefinden, erläutern Schlafforscher.

Trist gestaltete Räume sind wahre Killer für Aufmerksamkeit und Phantasie. Soweit die These, gefüttert durch Antworten vieler Ex-Kolleginnen und -Kollegen aus unterschiedlichen Branchen. Bestätigt durch Hunderte Kundentermine, Seminare, Konferenzbesuche und Interviews in Büros in den letzten 30 Jahren. Auf einer Forschungsreise durch Südamerika interviewte ich den CEO einer Kreativschmiede in Santiago de Chile, dessen Agentur komplett weiß eingerichtet war. Die Wände, die Möbel, die Bleistifte – alles war weiß. Nichts, absolut gar nichts sollte die Mitarbeiter vom kreativen Prozess ablenken. Hätte die Agentur nicht unzählige Awards gewonnen, ich vergliche sie in meiner Horrorvorstellung mit einer Nervenheilanstalt.

Heute sind Büros vom Look & Feel eine Mischung aus Atelier, Bibliothek und Forschungseinrichtung. Wenn ein Büro viele Disziplinen und oft auch Mitarbeiter aus drei Dutzend Kulturen vereint, was kann man aus so einem Raum gestalterisch machen? Wie können wir das Konzept ‚Büro‘ um den Faktor alltagsunübliche ‚Kreativschmiede‘ erweitern?

Hoffnungslose Immobilienobjekte

Es gibt in jeder Stadt Immobilien, die keiner mehr will. Alte Fabriksgebäude, unbesuchte Kirchen und Tankstellen, die keinen Betreuer mehr finden. Viele solche Objekte werden zum Kauf angeboten.  Immer wieder passt eines davon, für das eine neue, kreative Nutzung überlegt wird. Manchmal fahren clevere Immobilienmakler durch die Gegend und suchen aktiv ‚Trend-Stadtviertel von morgen‘ nach Immobilien ab. Immobilien, die einsam und verzweifelt wirken. Dann wird das alte Gebäude einem Upcycling Prozess unterzogen. Aus alt mach neu & attraktiv.

Ungewöhnliche Gebäudetransformationen

Moderne Arbeitsplätze befinden sich heute in einem Umfeld, in dem die Arbeit beinahe zu einer spirituellen Erfahrung wird. Die jungen Talente von heute wollen keine langweiligen und einfallslosen Büros mehr. Sie wachsen mit Storytelling und in identitätsaufgeladenen Umgebungen auf. Auf die Frage: Willst Du lieber in einem neuen Bürogebäude in der Stadt oder einer umgebauten Remise am Stadtrand arbeiten, nimmt ein Großteil der Gen X,Y,Z die Reise in die Vorstadt sehr gerne in Kauf.

In historischen Gebäuden, wie Kirchen und Synagogen verbinden sich unmittelbar Vergangenheit mit Gegenwart und Zukunft. Wie im Architekturbüro Klaarchitectuur in Belgien, das 2016 in eine umgebaute Kapelle zog. Die Architekten stapelten einzelne Büro- und Konferenzräume über mehrere Stockwerke. Damit ermöglichten sie opulente Blicke in den historischen Kirchenraum.

Im Interview mit Architekt, Klaarchitectuur- und Kapellenbesitzer Gregory Nijs
Wie fühlt es sich an, in einer Kirche zu arbeiten?

Gregory Nijs schmunzelt und sagt: „Sie können das nur verstehen und nachfühlen, wenn Sie uns in der Kapelle besuchen. Das natürliche Licht, das in die Kapelle fällt, verleiht ihr von jeder Etage aus einen völlig anderen Look.“

Wie beeinflussen geschichtsträchtige Gebäude die Kreativität der Menschen, die darin arbeiten? Haben Sie einen Unterschied bemerkt?

Gregory Nijs: „Die Atmosphäre alter Gebäude ist unschlagbar. Sie machen uns demütig. Das alte Gemäuer hält lange; diese Beständigkeit ist spürbar. Unsere Bürokonzepte fördern Kreativität, weil die Inspiration, die Orte wie dieser auslösen, auch nach 4 Jahren noch zu spüren ist.“

Über 1000m Seehöhe sind wir alle per du

Dass Büros in geschichtsträchtigen Gebäuden eine besondere Stimmung und Inspiration bei Mitarbeitern auslösen, davon kann auch Georg Gasteiger berichten. In der Hamburger Elbphilharmonie wurden er beim letztjährigen New Work – Award des Social Network Xing als ‚New Worker‘ für außergewöhnliche unternehmerische Leistungen ausgezeichnet. In seinem Bauernhof in den Tiroler Alpen, dem Mesnerhof-C, hat Georg – der sympathischerweise flux das Du-Wort anbietet – ein angesagtes „New Work Retreat“. Das ist eine spezielle Form des Workathon.

Im Interview mit New Worker Georg Gasteiger:

„Unser 400 Jahre alter Bauernhof war schon immer ein CoWorking Space“, sagt Georg Gasteiger lachend. „Unsere CoWorkationists spüren die Geschichte des Produzierens, des Schaffens an diesem Ort. Es begegnen ihnen Schnitzereien unter dem Fenstersims, die an die Symbolik der Kelten erinnern. Sie finden naive Bauernmalereien in erstaunlich kräftigen Farben. Und schätzen die lieblichen Verzierungen an den Türrahmen. Die alten Geräten für die Holz- und Feldarbeit fasziniert besonders viele. Alles inspiriert an so einem Ort dazu, kreativ zu sein.“

CoWorkationists?

Georg Gasteiger erklärt: „Coworkation setzt sich aus „Co“ (=zusammen), „Work“ (=Arbeit) und „Vacation“ (=Urlaub) zusammen. Der Begriff beschreibt einen neuen Trend im Spannungsfeld zwischen Arbeit und Urlaub. In Zukunft werden viele kreative Hotspots im Alpenraum entstehen, an denen sogenannte Coworkationists einen Ort zum Arbeiten und Urlaub machen finden.“ Der Mesnerhof-C in Österreich gilt als Leuchtturmprojekt für Tourismusinnovationen und als Vorzeigebeispiel des Coworkation Trends.

Wie beeinflusst die Raumgestaltung des Bauernhofs den kreativen Prozess? Georg Gasteiger: „Wir haben die Tenne ausgebaut, einen 7m hohen Raum, durch den sich ein Lichtband zieht. Am Boden geht man auf 100 Jahre alten Dielen. Unsere Arbeitsräume sind reduziert gestaltet. Der ‚Freiraum‘ im Innendesign lässt viel Blick auf die Natur. Unsere Schlafnester sind klein und intim. Dafür haben wir die Gemeinschaftsflächen fürs miteinander Yoga machen, miteinander Kochen und miteinander Arbeiten sehr großzügig gestaltet.“

Büro im Wald

In der ARD Tagesschau wurde das Team eines schwedischen Outdoor-Magazins vorgestellt, das alle 14 Tage ‚Green Office‘ statt Home Office macht. Im Interview erklärt eine Angestellte: „Das fühlt sich super hier draußen in der Natur an. Inspirierend und ungewohnt. Man kommt auf neue Gedanken und Ideen.“ Die Arbeit, umgeben von Bäumen und Geräuschen des Waldes, bietet kreativen Input für die Mitarbeiter. Mobiles Internet sei Dank. Ich erinnere mich an den Einfall meines kreativen Ex-Chefs, das Konferenzzimmer unserer Agentur mit Rollrasen auszustatten. Das Gefühl, barfuß auf echtem Gras auf- und abzuspazieren und während des Brainstormings Grashalme zwischen den Zehen zu spüren, war sensationell. Ein temporärer Gag, der in viel kreativem Output resultierte.

Der mentale Komfort ist in Büros heute wichtiger als der physische. Kreative Menschen müssen die eigene Komfortzone verlassen, um Großartiges zu schaffen. Das betrifft auch Büroplaner und Designer. Jeder hat eine eigene Vorstellung von Gemütlichkeit. Für den einen ist ein guter Arbeitsplatz einer, der sich ständig verändert. Für den anderen ist das ein Arbeitsplat, bei dem jeder Stift ein vordefiniertes Zuhause hat.

Der Einsatz von Farbe

India Mahdavi ist Möbel- und Raumdesignerin, die bei der Raumgestaltung stets die Wichtigkeit von Komfort und Farbe als Quelle für Kreativität betont. Mahdavi im ZEIT-Interview: „Es kann nicht zu viel Farbe geben. Je mehr Farben man zusammenbringt, desto freundlicher werden sie. Wenn man nur eine Farbe im Zimmer hat, muss man diese Farbe anstarren, und sie starrt zurück. Aber wenn man mehrere kombiniert, fangen sie an, ein Gespräch zu führen. Dunkle Holztöne, Beige und Weiß zu kombinieren, ist simpel. Farbe ist komplizierter, aber mutig. Farbe inspiriert.

Kreativität oder keine in cool designten Büros

Unternehmen möchten heute mit einem Arbeitsplatz, der entspannt und hip wirkt, neue Talente anlocken. Die neuen Maßnahmen sollen die Kreativität beflügeln. Unternehmenskultur und Arbeitsabläufen sollen eine menschlichere Note erhalten.

Die neu gestalteten Bereiche werden aber oft nicht genutzt. Die Erklärung mag überraschen – aber Menschen wollen am Arbeitsplatz einfach ihre Arbeit bestmöglich erledigen. Spielerische Elemente in Arbeitsumgebungen sind nicht verkehrt. Sie werden aber nur geschätzt, wenn sie die Produktivität nicht hemmen. Den Mitarbeitern gefällt die Coffee Shop-Ästhetik, aber sie nutzen vielleicht lieber Räume, die sich zum konzentrierten Arbeiten eignen.

Bürokonzepte fördern Kreativität, wenn sie so gestaltet werden, dass sie sowohl entspannend als auch inspirierend wirken. Die Mitarbeiter sollen am Ende des Tages ein Gemeinschaftsgefühl verspüren. Dazu muss sich allerdings die Herangehensweise ans Bürodesign grundlegend ändern. Es muss erfragt werden: Welche Arten von Raum brauchen meine Angestellten? Welche Gefühle löst dieser Raum bei den Mitarbeitern aus? Eine im ‚Journal of Environmental Psychology‘ veröffentlichte Studie von Steelcase zeigt: Visuelle Privatsphäre in offenen Arbeitsumgebungen reicht aus, um sich gut konzentrieren zu können. Gleichzeitig kurbelt ein weiter Blick in den Raum die Kreativität besonders an.

 

Wir (bei GRAEF) wollen Menschen zusammenbringen, nicht Möbel.