BLOG: 19.01.2022

Die neue WC - Kultur in Unternehmen

Health Style im Büro

Viele Firmen haben die Zeit der Pandemie genutzt, um die Sanitärbereiche in ihren Betrieben gründlich zu renovieren. Die aus dem Home Office Zurückkehrenden sollen es nicht nur schön haben. Denn auch die Hygieneanforderungen sind höher denn je.

Meine erste Festanstellung als Redakteur führte mich zur Verlagsgruppe Milchstraße in Hamburg. Die Raumgestaltung hielt einige Besonderheiten bereit, aber eine ist mir besonders in Erinnerung geblieben: auf der Toilette gab es einen in der Wand eingebauten Fernseher. Mein erster Gedanke dazu war, wie verrückt vom Verleger, da verbringen die Redakteure noch mehr Zeit als nötig auf dem stillen Örtchen. Das war allerdings ein Irrtum, weil dort Nachrichtensender liefen, und so war man auch im Sanitärbereich stets auf der Höhe der Aktualität.

 

Strenges Regelwerk

In die „Arbeitsstättenverordnung zu Toilettenräumen am Arbeitsplatz“ hat es der Fernseher nicht geschafft. Dieses Regelwerk legt fest, dass der Arbeitgeber für die Beschäftigten seines Unternehmens entsprechende Sanitärräume zur Verfügung stellen muss, die gewisse Voraussetzungen erfüllen. Im Vordergrund steht der Schutz der Arbeitnehmer und die Wahrung der Intimsphäre. Die Regelungen beziehen sich einerseits auf die Erreichbarkeit, die Abmessung, Ausgestaltung und den Zugang, andererseits auf die Anzahl der Toilettenräume in Abhängigkeit von der Anzahl der Beschäftigten. So weit, so logisch. Aber es gibt auch ganz klare Empfehlungen, wie die Ausstattung zu sein hat.

 

Hygienebedürfnis an den Bedürfnisständen

In den Toilettenzellen müssen sich Toilettenpapier, Papierhalter, Kleiderhaken, ein Abfallbehälter mit Deckel pro Toilettenraum befinden, für Frauen muss pro fünf Toilettenzellen jeweils ein entsprechender Hygienebehälter mit Deckel vorhanden sein.  Für mindestens zwei davon müssen Seifenspender, Einmal - Handtücher (auch Wärmelufttrockner) vorhanden sein.

 

Die ewige Seifenmühle

Ist kein Vorraum da, muss sich im oder vor dem Toilettenraum ein Handwaschbecken mit Seifenspender und Einmal - Handtüchern befinden. Beim Reinigungsmittel ist der Phantasie Grenzen gesetzt: die Wahl muss auf Seifencreme- oder Seifenpulverspender, Seifenmühlen oder Kippseifenspender fallen. Ach ja: Die Handtuchspender sind mit Textil- oder Papierhandtüchern zu füllen. Das alles ist Standard und wird von allen Angestellten als Selbstverständlichkeit betrachtet.

 

Ein gewisser Pull-Faktor

Gleichwohl wird jede Abweichung kritisch begutachtet und das Hygienebewusstsein ist im Zeitalter der Covid-Pandemie nochmals gestiegen. Viele Unternehmen haben die Zeit, in der ihr Personal zu großen Teilen im Home Office war genutzt, um ihre Sanitärbereiche gründlich zu renovieren. Dahinter stand sicher auch der Gedanke, den aus dem Home Office zurückkehrenden Kräften ein besonders schönes Umfeld zu bieten. Ein gewisser Pull-Faktor für alle, die noch schwanken, in welche Richtung bei ihnen das Pendel in der Welt des hybriden Arbeitens neigt.

 

Der Rolls-Royce unter den WCs

Es geht also auch im Nassbereich nicht nur um die Pflicht, sondern die Kür. Und wer wissen will, wie die aussieht, sollte einen Abstecher ins schweizerische Jona - ein 18.000-Einwohner-Städtchen bei Zürich - machen. Denn hier befindet sich der Unternehmenssitz von Geberit, die sozusagen den Rolls-Royce unter den WCs produzieren. Die WCs, die sie bei Geberit bauen, sind anders. Hundert Einzelteile, eineinhalb Stunden dauert die Montage einer einzelnen Toilette, die eine Belastung von bis zu 400 Kilo verträgt.

 

Klo mit Fernbedienung

Hier wird auch das Nonplusultra unter den Toiletten, das Dusch-WC produziert. Es besitzt sogar etwas, was die WC-Toilette in der Verlag Milchstraße nicht besaß: eine Fernbedienung. Mit ihr wird eine ausfahrbare Mini-Dusche im Toilettenbecken aktiviert, die mit einem lauwarmen Wasserstrahl putzt. Danach startet der in der Toilette eingebaute Popo-Föhn. In der Schweiz gönnen sich immerhin rund vier Prozent der Haushalte diesen Luxus. In Deutschland gibt es deutlich mehr Autobesitzer als Dusch-WC-Besitzer.

 

Wellnesszone Bad

In etwa einem Prozent der rund 40 Millionen deutschen Haushalte ist bislang eines installiert - zu den in Büros verbauten Dusch-WCs liegen keine verlässliche Zahlen vor. Der Trend zu mehr Luxus im Bad ist erst seit einigen Jahren erkennbar, und er betrifft längst nicht mehr nur Privaträume. Das Bad wird auch im Arbeitskontext mehr und mehr zum Rückzugsort, zur persönlichen Aufladestation und zur Wellnesszone.

 

Sensible Bereiche

Der Weltmarkt für Hightech-Toiletten ist etwa 800 Millionen US-Dollar groß. Japan ist dabei der bedeutendste Einzelmarkt für die sogenannten Washlets. Den europäischen Markt beherrscht Geberit. In diesem Fall hat Marktbeherrschung nichts mit einem Massengeschäft zu tun; wenig erstaunlich bei Preisen zwischen 600 und 2000 Euro pro Dusch-WC. Toiletten-Extras wie TurboFlush-Spültechnik, Orientierungslicht, WC-Deckel-Automatik, WC-Sitz-Heizung, integrierte Geruchsabsaugung sind bislang hauptsächlich in Hotels, zunehmend aber auch in Bürogebäuden zu finden. Deutsche sind allerdings bei Innovationen etwas zögerlich, gerade wenn es um den sensiblen Bereich im Bad und WC geht.

 

Die coolsten Toiletten gibt es in Japan

So wird auch in naher Zukunft das Fortschrittsland der Sanitärkultur Japan bleiben. Die meisten Haushalte dort besitzen voll automatisierte Toiletten mit allerhand Extras. Auch in Restaurants, Bahnhöfen und Einkaufszentren gehören sie zum Standard. Europäer, die in Japan in ihrem Hotel zum ersten Mal das WC nutzen, staunen meist nicht schlecht. Die Bedienungsmöglichkeiten sind so vielfältig wie bei besseren Fernsehgeräten; die Fernbedienungen der japanischen Washlets haben so viele unterschiedliche Symbole wie komplexe Unterhaltungselektronik. Washlet ist eine Marke des Marktführers Toto, die inzwischen synonym für die Dusch-WCs verwendet wird, so wie hierzulande „Tempo“ für Papiertaschentücher steht. Das Lifestyle-Magazin „Monocle“ zählt die japanische Toilette zu den 50 coolen Dingen, die Japan-Urlauber unbedingt erleben sollten.

 

Wasserrauschen, aber kein Wasser

Ein gängiges Ausstattungsmerkmal ist „Otohime“, bekannt nach einer Tochter des Meeresgottes Ryuji. Die Prinzessin ist ein Kasten, der auf Knopfdruck Geräusche macht, genauer: ein Wasserrauschen abspielt, um peinliche Laute während der Toilettensitzung zu übertönen. Wasser fließt dabei nicht. Weil nicht alle Toiletten so eine Apparatur haben, tragen Japanerinnen oft eine Otohime in Feuerzeuggröße bei sich. Natürlich gibt es inzwischen die Otohime als App. Die hohen Hygienestandards in Japan gehen laut Ikuta auf die ursprüngliche Religion des Shintoismus zurück. Die Reinheit ist darin eine sehr wichtige Lehre, Wasser und Reinheit sind sehr stark miteinander verbunden. Das ist einer der Gründe, weshalb sich die auf Wunsch beheizte japanischen WC-Brille im Nachgang selbst reinigt.

 

Das Design soll den Unterschied machen

Ihren Ursprung hat die Toiletten-Hochkultur allerdings nicht in Japan, sondern im Heimatland von Geberit, in der Schweiz. Der Eidgenosse Hans Maurer erfand das Dusch-WC anno 1957 und nannte es Closomat. Geberit brachte 1978 in der Schweiz das erste Dusch-WC auf den Markt. In Japan begann der Boom erst zwei Jahre später, war dann aber umso nachhaltiger. Das Design soll den Unterschied machen bei der Toiletten-Revolution. Weil Europa bislang eine Dusch-WC-Schwellenregion ist, nehmen sich Besucher aus Ländern mit maßgeblich wassergestützter Toilettenhygiene gern etwas mit, das in Thailand etwa „Sabaitood“ genannt wird, zu Deutsch „glücklicher Hintern“. Es ist eine Wasserflasche mit Sprühpistole, damit soll ambulant das Washlet-Gefühl erzeugt werden. Das Start-up „Happy Po“ aus Berlin bietet inzwischen für knapp 25 Euro eine deutsche Version dieses Reinigungszubehörs an.

 

Weiterentwicklung in Richtung Medizintechnik

Deutlich kostspieliger ist die Ausstattung ganzer Sanitärbereiche mit Dusch—WCs. Langfristig kann sich die Investition aber auszahlen, denn durch diese Geräte sinkt der Verbrauch von Toilettenpapier, dessen Umsatz in Deutschland seit der Pandemie stark gestiegen ist und 2020 bei rund 2,3 Milliarden Euro lag.

In Japan tüfteln die Experten an neuen Hightech-Funktionen, die die Toiletten weiter in Richtung Medizintechnik entwickeln. WCs sollen Zuckerwerte im Urin messen, Blutdruck und Körperfettanteil registrieren, Viskositätswerte des Stuhls und okkultes Blut. Die Daten könnten dann über eine Datenverbindung direkt dem Hausarzt übermitteln werden. In einer ganz fernen Zukunft könnte die Toilette womöglich gleich die Krankmeldung ausdrucken - eine Vorstellung, die Arbeitgebern weniger gefallen dürfte.